Sie motiviert ihre Schützlinge und redet ihnen gut zu

Projekt HandinHand – auf Patientenbesuch mit Stefanie Klein

Sie ermuntert ihn, seine Atemübungen zu machen.

Als Stefanie Klein das Haus der Familie Schlösser betritt, wird sie herzlich wie eine gute alte Bekannte begrüßt. Auch Kaffee und selbstgebackener Kuchen stehen rasch auf dem Esstisch parat. Dabei ist die stellvertretende Leiterin des Pflegeexperten-Centers der Marienhaus Unternehmensgruppe in den malerisch gelegenen Ort Schuld gekommen, um bei Kunibert Schlösser nach dem Rechten zu schauen. Seit einem guten halben Jahr besucht die erfahrene Pflegefachkraft den 85-Jährigen, misst Blutdruck und kontrolliert den Blutzucker, schaut nach den Wassereinlagerungen in seinen Beinen und redet ihm ins Gewissen, doch bitte regelmäßig seine Atemübungen zu machen. Abschließend wirft Stefanie Klein zusammen mit der Ehefrau ihres Schützlings noch einen Blick auf dessen Medikation. Schließlich helfen all die Medikamente nur, wenn sie konsequent und nach Vorschrift eingenommen werden.
Die Eheleute Schlösser sind froh und dankbar, dass Stefanie Klein regelmäßig zu ihnen kommt. Das erspart ihnen so manchen Besuch beim Hausarzt, was gerade in Corona-Zeiten ein nicht zu unterschätzender Vorteil ist. Und sie wissen, dass Pflegeexpertin und Hausarzt in engem Kontakt stehen und Hand in Hand arbeiten. Stefanie Klein würde eigentlich gerne auch direkt nach dem Besuch ihren Bericht an den Hausarzt schreiben, aber an diesem Nachmittag lässt die Technik sie (wieder einmal) im Stich.
Apropos Hand in Hand. So lautet auch der Titel des Projektes, das die Marienhaus Unternehmensgruppe im März 2020 im Landkreis Ahrweiler gestartet hat. Ziel ist es, kurz gesagt, ältere und chronisch kranke Menschen in ihrem vertrauten häuslichen Umfeld zu versorgen, gleichzeitig die behandelnden Hausärzte zu entlasten und unnötige Krankenhaus-Aufenthalte zu vermeiden. Das ist leichter gesagt als getan; denn während die Zahl der älteren Menschen, die chronisch krank sind und deshalb von ihrem Hausarzt engmaschig betreut werden müssen, kontinuierlich steigt, sinkt gleichzeitig die Zahl der Hausärzte – und diese haben gerade für die zeitaufwändigen Hausbesucher immer weniger Zeit.
Genau hier setzt das Projekt HandinHand an, das die Marienhaus Unternehmensgruppe zusammen mit der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland auf den Weg gebracht hat: Erfahrene Pflegekräfte wie eben Stefanie Klein besuchen die älteren Menschen zu Hause, kontrollieren – wie bei Kunibert Schlösser – ihren Gesundheitszustand, motivieren ihre Schützlinge und reden ihnen gut zu, damit sie beispielsweise ihre Medikamente regelmäßig einnehmen, ihre Übungen absolvieren oder täglich an die frische Luft gehen. So stabilisieren sie die oft fragile häusliche Situation, geben auch den Angehörigen Sicherheit – und informieren direkt den Hausarzt, wenn sich der Gesundheitszustand verschlechtern sollte.
Der ist bei Kunibert Schlösser stabil, auch wenn ihm Stefanie Klein wärmstens ans Herz legt, seine Atemübungen regelmäßiger durchzuführen. Gleiches tut sie bei dem älteren Herrn, den wir an diesem Nachmittag als nächstes besuchen. Auch seine Lunge funktioniert nicht mehr so richtig. Deshalb redet sie auch ihm ins Gewissen. Das tut sie überaus freundlich und empathisch. Sie ist halt ein kommunikativer Typ.
Dieses Talent war in ihrem bisherigen beruflichen Leben nicht ganz so gefragt. 20 Jahre lang hat sie als Krankenschwester auf der Intensivstation des Krankenhauses Maria Hilf in Bad Neuenahr-Ahrweiler gearbeitet. Einmal die Seite zu wechseln und mitzuhelfen, dass älteren Menschen ein Krankenhausaufenthalt möglichst erspart bleibt oder sie dort zumindest kein Stammgast werden, das war der entscheidende Grund, sich als Mitarbeiterin beim Pflegeexperten-Center zu bewerben. – Bei vielen ihrer Kolleginnen und Kollegen war die Motivation ähnlich.
Die alte Dame, die wir zum Schluss besuchen, hat erst vor kurzem ihren Mann verloren. Bald 60 Jahre waren die beiden verheiratet. Hier ist Stefanie Klein also vor allem als verständnisvolle Zuhörerin gefragt. So wird sie bei ihren nächsten Besuchen ganz besonders darauf schauen, ob Schmerz und Trauer die alte Dame nicht auch körperlich krankmachen. – Wer für HandinHand arbeitet, muss viele Talente besitzen…

Das Projekt HandinHand wird vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses über drei Jahre mit insgesamt rund acht Millionen Euro gefördert. Die Pflegeexperten betreuen zwischenzeitlich gut 335 Patientinnen und Patienten im Landkreis Ahrweiler. Seit kurzem bieten sie ihre Dienste auch in den angrenzenden Kreisen Neuwied, Mayen-Koblenz und Euskirchen an. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt vom RWI-Leibniz Institut für Wirtschaftsforschung in Essen und von den Universitäten in Lübeck und Köln.